Dass ich nicht lache…

Auf dem Ausflug einer unserer Gruppen für Menschen, die früh an Demenz erkrankt sind, hat sich neulich eine angeregte Diskussion darüber entsponnen, wie die Öffentlichkeit über Demenz informiert und sensibilisert werden kann – und zwar so, dass weder die Erkrankten selbst, noch ihre Angehörigen oder auch Fachpersonen sich in ihrer Lebens- und Arbeitssituation missverstanden oder gar lächerlich gemacht fühlen. Anlass dafür gaben verschiedene Veröffentlichungen, die kürzlich pointiert auf demenzspezifische Auffälligkeiten hinwiesen, um so unter anderem die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnosestellung betonen. Dazu sagte einer der Teilnehmenden : «Wenn das Demenz ist, dann ist das lächerlich… Das ist nicht Alzheimer!»

Und Recht hat er… aber andererseits auch wieder nicht und beides widerspricht sich weniger als es auf den ersten Blick erscheinen mag :

Recht hat er ganz sicherlich, wenn man aus solchen Publikationen schliessen würde, dass sie die komplexe Erkrankung und die individuell erlebte Lebenssituation der Betroffenen auch nur im Ansatz wiedergeben könnten! Das ist selbstverständlich nicht möglich, denn keine Demenzerkrankung wie die andere ist, kein Betroffener erlebt sie wie die anderen, kein Leben mit Demenz ist wie das andere!

Aber es gibt noch eine andere, ebenso wichtige Seite: Will man Stigmatisierung und Tabu abbauen, muss es gelingen die Aufmerksamkeit derjenigen zu erregen, in deren Köpfe diese sich befinden. Und dafür braucht es eine markante, auffällige und leider eben auch manchmal etwas plakative «Verpackung ». Nur so schaut man ein zweites mal hin, nur so bleibt vielleicht beim dritten Mal etwas im Gedächtnis, nur so ist man bei siebten Mal doch neugierig geworden und geht sich tatsächlich informieren!

Als Interessensvertreterin der Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen hat die Schweizerische Alzheimervereinigung beide Aufgaben zu verteten: Einerseits sie mit all den demenzspezifischen Symptomen in ihrer individuellen Lebensgestaltung wertschätzend zu beraten und zu unterstützen. Andererseits ist es aber auch unser erklärtes Anliegen die (nach wie vor wenig informierte) Öffentlichkeit zu sensibiliseren. Das Ziel ist in beiden Fällen das gleiche: die Hürden für eine mit den Betroffenen solidarische Gesellschaft ab- und mehr Akzeptanz aufzubauen – aber es benötigt unterschiedliche Mittel, um dies zu erreichen und Gratwanderungen sind vorprogrammiert.

Psychopathen, die es braucht

Kennen Sie das auch: Sie erzählen von Ihrer Ausbildung und die Reaktion Ihres Gegenübers ist dann das Klischee, das Sie schon tausendfach gehört haben (*dem Sie selbstverständlich überhaupt nicht entsprechen*). Als Psychologin hat man es in dieser Hinsicht überhaupt nicht einfach. So hört man häufig (*d.h. in gefühlten 11 von 10 Fällen*) die misstrauische Frage: „Oh, da muss ich wohl aufpassen, was ich sage?!“ Und es braucht auf der Party ein echtes empathisches Einfühlen in die Unkenntnis des Gegenübers und schliesslich jede Menge vertrauensbildende Massnahmen (wie beispielsweise das Überlassen des letzten Käsehäppchens), um nicht den ganzen Abend mit misstrauischen Blicken bedacht zu werden.

Den vollen Umfang der Tatsache des Klischees der Persönlichkeit einer Psychologin wurde mir jedoch erst klar, als eine Nachbarin ihre Bitte um fachlichen Rat mit den Worten „Sie sind doch Psychopathin…“ einleitete…

Eigentlich, so könnte man sagen, besteht immerhin irgendeine Vorstellung darüber, was Psycholog(inn)en beruflich machen, auch wenn es pauschalisiert und der Realität nur sehr im Ansatz nahe kommt (ein Wesensmerkmal von Klischees). Nun hat aber die Ausbildung in Psychologie doch schon eine sehr lange Tradition. Wie viel weniger kann man da ein vertieftes Verständnis einer Tätigkeit erwarten, die sich im Kern mit einem gesellschaftlichen Tabu und der „grösste Angst des Alters“ beschäftigt (wie das die Geschäftsleitung der Schweizerischen Alzheimervereinigung tut). So ist es oft so, dass ich auf die Frage nach meiner beruflichen Tätigkeit als erstes das Heben der Augenbrauen der Fragenden beobachten kann (*nach 7 Jahren Mimikanalyse kann ich dies zum Glück bereits in Millisekunden eindeutig als Ausdruck eines Abwägens zwischen Neugier und der Sorge um das berühmte Fettnäpfchen interpretieren*). Gefolgt wird dieses dann (*ebenfalls in gefühlten 11 von 10 Fällen*) von einem in echt empathischem Tonfall vorgetragenen: „das ist aber ganz toll“, denn „so Menschen wie dich braucht es ja schliesslich auch“.

Und JA – würde ich dann am liebsten laut ausrufen! GENAU! Menschen, denen ältere Menschen in vulnerablen Lebenssituationen NICHT egal sind, Menschen, die sich für gute Lebensbedingungen für die Schwächsten mit der geringsten Lobby in unseren Gesellschaft einsetzen – genau diese benötigt es! Heute mehr denn je! Diese braucht es aber vor allem in der Praxis und im Alltag der Erkrankten und ihrer Angehörigen! Die Schweizerische Alzheimervereinigung und ihre 21 kantonalen Sektionen mit ihren vielen ehrenamtlich Engagierten setzen sich täglich für die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen mit Beratung und Information und vielfältigen Angeboten ein. Ihnen rufe ich zu: Liebe Kolleg(inn)en GENAU, euch braucht es..! Genau EUCH braucht es! Danke!

Apropos… hat vielleicht jemand Lust auf ein letztes Käsehäppchen?!?